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Long-COVID – posttraumatischer Stress als eine mögliche Ursache?
12. April 2022
Die Behandlung des Long-COVID-Syndroms stellt Ärzte und Therapeuten gerade vor eine große Herausforderung. Einheitliche Behandlungsstrategien existieren bisher nicht, daher fokussieren sich die Forscher insbesondere auf die Ursachenfindung. Für das Fortbestehen der Symptome nach einer SARS-CoV-2-Infektion werden verschieden Mechanismen diskutiert. Neben dem Fortbestehen einer chronischen Entzündung oder gestörten Immunantwort/Autoantikörperbildung, einer seltenen Persistenz des Virus im Körper, müssen auch Komplikationen im Zusammenhang mit Begleiterkrankungen sowie Nebenwirkungen verwendeter Medikamente in Betracht gezogen werden.
Einige Forscher sehen jedoch ebenfalls in der Dekonditionierung und in psychischen Problemen wie posttraumatischem Stress einen Beitrag zur Entwicklung eines Long-COVID-Syndroms. Diese Annahmen beruhen auf den frühen Beschreibungen von Long-COVID, die eine Vielzahl von Symptomen aufzeigen, die sich von denen der Patienten unterscheiden, die sich von einer schweren COVID-Erkrankung erholen und einen Krankenhausaufenthalt benötigten.
„Man muss sich der Bedeutung der biopsychosozialen Auswirkungen von COVID-19 bewusst sein und wie sie die Entwicklung langanhaltender Symptome beschleunigen können, die sowohl die körperliche als auch die geistige Gesundheit beeinträchtigen“, so die Forscher um Dominic L. Sykes. Sie postulieren, dass nicht nur ein schwerer Krankheitsverlauf, der eine mechanische Beatmung erfordert, zu einem posttraumatischen Syndrom und einer Depression führen kann, sondern auch die Unterbrechung des Alltagslebens aufgrund anhaltender schwächender Symptome nach einer Infektion, soziale Isolation und finanzielle Unsicherheit sowie weitere psychologische Probleme.
Sykes und Kollegen weisen darauf hin, dass bei Long-COVID ähnliche physische und psychische Symptome beschrieben werden, wie bei anderen posttraumatischen Syndromen wie dem Golfskriegssyndrom und dem Post-9/11-Syndrom. In diesem Zusammenhang wird daher auch die Beteiligung endokriner Dysfunktionen (Störungen des Hormonsystems) an der Entstehung des Long-COVID-Syndroms diskutiert, die zu
- einem Mangel am Stresshormon Cortisol (Hypokortisolismus oder Nebennierenrindeninsuffizienz)
- einer Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose)
- oder einer Störung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (HPA-Achse)
führen können. Die Forscher postulieren daher, dass beim Phänomen von Long-COVID möglicherweise die biopsychosozialen Auswirkungen eine deutlich größere Rolle spielen könnten als bisher angenommen.
Sykes DL. et al. Post‑COVID‑19 Symptom Burden: What is Long‑COVID and How Should We Manage It? Lung. 202. doi.org/10.1007/s00408-021-00423-z

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